Viscosistadt Lab
Hier wird der Stoff der Zukunft gesponnen
Die Hochschule Luzern – Design & Kunst spinnt sich neuen Forschungsstoff: Im Viscosistadt Lab und dem neu gegründeten Spinnerei Lab begibt sich die Forschungsgruppe Produkt & Textil auf die Suche nach nachhaltigeren Faseralternativen und mehr Zirkularität in der Textilbranche.
Autorin: Larissa Brochella

Tina Moor bedient eine von sieben Maschinen, die im neuen Spinnerei Lab für die Produktion von Garnen verwendet werden. (Bilder: lbr)
Bis vor einem Vierteljahrhundert strömten jeden Tag fast 2000 Menschen pünktlich zum Arbeitsbeginn auf das Areal der Viscosuisse in Emmenbrücke. Inzwischen beherbergt die Viscosistadt lange nicht mehr nur die ehemalige Textilgigantin. Wenn sich am Morgen das Areal füllt, sind es Studierende und Dozierende, Mitarbeitende verschiedener kleinerer und grösserer Unternehmen oder Selbstständige, die sich auf den Weg zu ihren Ateliers, Seminarräumen, Produktionsstätten und Büros begeben.
Doch die Vergangenheit der Viscosistadt lebt nicht nur namentlich weiter. Denn mit der Monosuisse AG, Produzentin von Kunststoff-Monofilamenten für industrielle Zwecke, und der Hochschule Luzern – Design & Kunst, welche unter anderem einen Bachelor in Textildesign anbietet, existiert die Textilbranche in Emmenbrücke noch heute sowohl in der Praxis als auch in der Forschung.
«Wenn die Menschen sehen, wie aufwendig die Textilproduktion ist, kann dies die Wertschätzung fördern.»
Tina Moor, Professorin und Projektleiterin des Spinnerei Labs der HSLU


Nachhaltigkeit
«Der Umzug der Hochschule Luzern – Design & Kunst in die Viscosistadt hat uns neue Türen für eine praxisorientiertere Forschung geöffnet», meint Tina Moor, Professorin und Projektleiterin des Spinnerei Labs der HSLU. Die Zusammenarbeit mit der Monosuisse AG und der Viscosistadt AG sei vor mehr als zwei Jahren aus dem Bedürfnis nach mehr Vernetzung unter den Akteuren in der Viscosistadt und auf Basis von gemeinsamen Forschungsinteressen entstanden. Seither ist das Viscosistadt Lab Schauplatz für Forschung und Innovation im Bereich Textil und Nachhaltigkeit.
Trotz pandemiebedingter Verzögerungen konnten in den letzten Jahren bereits einige Forschungsprojekte im Viscosilab in Angriff genommen werden. «Unser Fokus liegt hauptsächlich auf dem Upcycling sowie dem Erforschen nachhaltiger Alternativen zu traditionell genutzten Fasern, deren Produktion und Verarbeitung einen hohen Aufwand an Ressourcen erfordern», erklärt Moor. So sollen nicht nur der Ressourcenverbrauch und die CO2-Emissionen vermindert, sondern auch die Lebenszyklen von textilen Produkten verlängert werden.
«Zirkularität ist ein wichtiges Schlagwort», so Moor, denn die Nachfrage nach Textilfasern wachse noch immer ungebremst. Die Textilindustrie gerate zudem vermehrt unter Druck, neue Richtlinien und Gesetze in Bezug auf Nachhaltigkeit einzuhalten. Jährlich würden im Viscosilab zwei bis drei Forschungsprojekte bearbeitet – sogenannte Viscosichecks.
Garnproduktion im Spinnerei Lab
Der erste Schritt in der Garnproduktion beinhaltet das Kämmen der Fasern. So werden Abfälle entfernt und die Fasern durchmischt.
Neue Möglichkeiten
Karden, strecken, spinnen und verzwirnen – so einfach dies klingt, die Verarbeitung von Fasern zu Garn ist alles andere als simpel. Das wird bei einem Blick in das neue Spinnerei Labor der HSLU Design & Kunst sofort klar. «Wir stehen noch ganz am Anfang. Heute werden wir von einem Spinnerei-Experten bei der korrekten Einstellung der Maschinen instruiert», so Moor. Sieben Maschinen sind Teil der neuen Kleinspinnanlage, welche von der Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung finanziert wird und seit Kurzem in den Räumlichkeiten der Monosuisse AG unterkommt.
«Mit dem Spinnerei Lab weiten wir unsere Forschungsbemühungen auf einen weiteren Teil der Produktionskette aus. Wir können Fasern, die wir im Viscosilab erforschen, direkt selbst in der Verarbeitung testen und Garne sowie Textilien in kleineren Mengen produzieren», sagt Moor. Noch befindet sich das Spinnerei Lab in der Aufbauphase. Die Maschinen müssen eingestellt und der Umgang mit ihnen erlernt werden. Erst dann können auch Studierende Teil von Forschungsprojekten werden oder die Infrastruktur für eigene Abschlussarbeiten nutzen.
Beleben und miteinbeziehen
Die Forschungsgruppe Produkt & Textil möchte ihre Forschungsarbeit in Zukunft auch über die Studierenden hinaus zugänglich machen. Sei dies in der Zusammenarbeit mit Fachpersonen, durch Weiterbildungen oder an Informationsanlässen und Veranstaltungen für die breite Bevölkerung. So könne die Forschungsgruppe Projekt & Textil das Thema Nachhaltigkeit in der Textilindustrie nach Aussen tragen und damit einen wichtigen Beitrag zur Aufklärungsarbeit leisten, ist Projektleiterin Tina Moor überzeugt: «Wenn die Menschen sehen, wie aufwendig die Textilproduktion ist, kann dies die Wertschätzung fördern.»





